Zur Präsentation der Arzneimittelsammlung des Deutschen Apotheken-Museums
Der säulengestützte Renaissanceraum, in dem das Deutsche Apotheken-Museum die Arzneidrogen-Sammlung präsentiert, beeindruckt durch ein stimmiges Gesamtbild von Raum, Exponaten und Mobiliar. Die wohl proportionierten Vitrinen mit den bogenförmigen Glasfenstern fertigte man im Jahr 1957 mit sicherem Stilempfinden passgenau für diesen Raum an. Bei der Neugestaltung dieses Ausstellungsbereiches wurde dieses "Museum im Museum" als zentraler Teil der Museumsgeschichte daher in enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde und der Landesstelle für Museumsbetreuung in der Konzeption unverändert belassen und nur sehr behutsam übearbeitet. Der Gesamteindruck blieb dabei ganz bewußt erhalten. Die durchweg positive Reaktion unserer Besucher auf die Anmutung des Raums bekräftigt diesen konservatorischen Ansatz auf schöne Weise.
Von der "materia medica" der Antike zum modernen Arzneimittel
Gezeigt wird ein Querschnitt der zahlreichen Rohstoffe, die in einer hiesigen Apotheke des 18. Jh. vorrätig gehalten werden mussten. Entsprechend der historischen Einteilung ist die Präsentation in die "drei Naturreiche" (lat. regna naturae) untergliedert: Zu sehen sind teils jahrhundertealte Original-Rohstoffe aus dem Mineralreich (lat. mineralia), dem Tierreich (lat. animalia) und aus dem Pflanzenreich (lat. vegetabilia), das den gröten Anteil am Arneischatz früherer Zeiten hatte. Darunter finden sich beispielsweise Arzneipflanzen, die auch heute noch im Einsatz sind, und Materialien, die wir heute nur noch als Genussmittel kennen, wie Kaffee, Tee und Schokolade. Aber auch lange vergessene "Wundermittel" sind in der Sammlung präsent, wie Einhorn, Mumia oder der opiumhaltige "Theriak", ein seit der Antike bis ins 18. Jh. aus mehr als 200 Zutaten bereitetes Allheilmittel, das mit dem Aufstreben der Naturwissenschaften nach zwei Jahrtausenden ebenso auf den Prüfstand kam wie viele andere Arzneistoffe - die in der Folge dann aus dem Arzneischatz verschwanden.
Präsentiert werden auch die entsprechenden Aufbewahrungsbehältnisse (vor allem aus dem 18. Jh.), anmutig verzierte Gefäße aus Glas, Holz und Keramik. Texte informieren über das arzneiliche Anwendungsgebiet der Rohstoffe, und deren Einbindung in ein (auf den ersten Blick manchmal kurios wirkendes) über Jahrtausende lang in sich schlüssiges System der Heilkunde. Anschaulich dargestellt werden auch die weiten Handelswege, auf denen die kostbaren Rohstoffe aus den fernsten Ländern bis in die einzelnen Apotheken in unseren Städten kamen.
In welcher Form die Arzneistoffe schließlich an den Patienten weitergegeben wurden, um die Einnahme zu erleichtern – denn Tabletten gab es erst ab der Mitte des 19. Jh. und unter einem Pflaster verstand man etwas ganz anderes als heute – wird mit Originalgeräten wie Pflasterstreichmaschinen oder Pillenvergoldern im Bereich Arzneiformen ebenfalls anschaulich erläutert. Zäpfchengießformen und Formen zur Herstellung von sog. "Bissen" (lat. morsuli, Morsellen), die mit ihrem hohen Zuckeranteil lange haltbar waren und den bitteren Geschmack der Arznei überdecken halfen, runden die Präsentation ab.
Bezüge zwischen damals geläufigen Arzneirohstoffen und heutigen Arzneimitteln zeigen darüber hinaus auf, dass die Medikamente des 21. Jh. ohne den jahrhundertelangen Umgang unserer Vorfahren damit und die daraus folgenden Erkenntnisse nicht denkbar wären.
In einer Fensternische wird die sog. "Sammlung Merck" präsentiert, eine Zusammenstellung von Rohstoffen, die von der damals noch jungen Fa. Merck nach dem Ersten Weltkrieg aus Übersee zum Zwecke der Analyse und Synthese der Inhaltsstoffe eingeführt wurden. Die Zusammenstellung besticht durch ihre exotischen Materialien und die original erhaltenen, heute sehr ungewöhnlich anmutenden Verpackungen. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel der Weg aus dem Apothekenbetrieb - der Merck´schen Engel-Apotheke in Darmstadt - zur pharmazeutischen Industrie aufgezeigt.
"Moderne" Arzneimittel (ab ca. 1880) sind mit verschiedenen "Meilensteinen" ebenfalls in Raum 5 präsent. Die Geschichte der Medikamente, die mit dem Aufkommen der Industrialisierung nicht mehr in der Apotheke, sondern industriell hergestellt wurden, ist noch relativ jung: Im Jahre 1884 kam "Antipyrin" in den Handel. Es gilt als das erste in Großfabrikation synthetisch hergestellte Fertigarzneimittel.
In der Ausstellung finden sich Klassiker wie Aspirin (seit 1899 auf dem Markt) oder das heute nicht mehr angebotene "Salvarsan" – ein von Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854 bis 1915) entwickeltes Medikament, das erste Chemotherapeutikum. Es war das erste Mittel, das der Syphilis nach vielen Jahrhunderten wirksam Einhalt gebot.
Zu sehen sind auch erste wirksame Mittel gegen Tropenkrankheiten (Germanin u.a.) sowie frühe Hormonpräparate wie Insulin, das erst seit 1923 als wirksames Mittel bei Diabetes zur Verfügung stand.
In der Erfolgsgeschichte synthetischer Arzneimittel stellt das 1961 vom Markt genommene Mittel Contergan einen mächtigen Wendepunkt dar: Es löste durch seine fruchtschädigende Nebenwirkung eine furchtbare Arzneimittelkatastrophe aus und erschütterte das Vertrauen in die bis dahin jahrzehntelang begeistert aufgenommenen neuen Arzneimittel.
Das bundesdeutsche Arzneitmittelgesetz wurde daraufhin grundlegend überarbeitet, es trat 1976 in Kraft. Seither muss seitdem jedes Medikament, bevor es auf den Markt kommt, umfassende Prüfprozeduren durchlaufen, die seine Unbedenklichkeit eindeutig belegen.
Erst seit 1976 ist auch der uns heute völlig geläufige Beipackzettel, in dem die Wirkung und Nebenwirkung des Medikaments genau aufgeführt wird, gesetzlich vorgeschrieben.