Das Deutsche Apotheken-Museum
im Heidelberger Schloss

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Pressekonferenz zum Erwerb des Nachlasses des Morphin-Entdeckers

Seltenes Glück in alter Truhe: Bei einer Pressekonferenz am 15.5.2012 im Deutschen Apotheken-Museum im Heidelberger Schloss gab der Vorsitzende der Deutschen Apotheken Museum-Stiftung Dr. Hermann Vogel den Erwerb des Nachlasses von Friedrich Wilhelm Sertürner (1783-1841) für das Deutsche Apotheken-Museum im Heidelberger Schloss bekannt. Das vielversprechende Konvolut stellt einen der bedeutendsten Neuzugänge für die Sammlungen des Deutschen Apotheken-Museums in den letzten Jahrzehnten dar.

Vogel würdigte Sertürners Verdienste um die Entdeckung des Morphins im Jahr 1804 im Labor der Hof-Apotheke Paderborn, mit der ein neues Kapitel in der Geschichte des Arzneimittels begann. In schneller Folge wurden weitere Alkaloide entdeckt, der Apothekerberuf wandelte sich grundlegend, denn als Folge der aufwendigen Gewinnung der Wirkstoffe spezialisierten sich einzelne auf deren Isolierung, die pharmazeutische Industrie entstand. Dass Sertürner die Anerkennung verwehrt blieb, die er sich für seine Leistungen wünschte, so Vogel weiter, habe letztlich auch Parallelen in der heutigen Welt der Apotheke.

Die Erschließung des Nachlasses in einer professionellen Institution wie dem Deutschen Apotheken-Museum verspricht nicht nur den geschlossenen Erhalt des Konvolutes, sondern auch ausgesprochen spannende Ergebnisse und Exponate. Beides seien zentrale Punkte für die Unterstützung der Erwerbsförderung durch die Kulturstiftung der Länder gewesen, wie Dr. Martin Hoernes, stv. Generalsekretär erläuterte. Er referierte dann kurz die Aufgaben der Kulturstiftung der Länder, Berlin, die jüngst durch ihre Unterstützung beim Erwerb des Nachlasses der Briefe Franz Kafkas an seine Schwester Ottla und des Suhrkamp-Archivs mit Erfolg tätig geworden sei. Selten aber käme ein so geschlossenes Konvolut aus dem Bereich der Geschichte der Naturwissenschaften wie das von Apotheker Sertürner auf den Markt, und es sei keine Frage gewesen, den Erwerb dieses nationalen Kulturguts zu fördern.

Thomas Benkert, Vorstandsvorsitzender der Dr. August und Dr. Anni Lesmüller-Stiftung freute sich anschaulich, dass der Vorstand der Lesmüller-Stiftung den Antrag auf Unterstützung beim Ankauf einhellig befürwortet habe, handele es sich doch um den Nachlass eines der bedeutendsten deutschen Pharmazeuten, den es für die Forschung und Öffentlichkeit geschlossen zu erhalten gelte. Die Sicherung des Konvolutes für Öffentlichkeit und Forschung entspreche genau den Zielen der Lesmüller-Stiftung, die sich auch dem Bildungsauftrag verpflichtet sieht.

Der Besucher kennt in der Regel nur die Dauerausstellung eines Museums und weiß oft gar nicht, dass diese den kleinsten Teil der Aufgabenfelder einer solchen Institution darstellt, referierte der Vorsitzende des Fördervereins Deutsches Apotheken-Museum, Volker Articus. Hauptsächlich flössen die Fördermittel des Vereins nämlich in Aufgaben der Restaurierung oder auch in den Aufbau eines konservatorischen Gesichtspunkten genügenden Magazins. Jedes Jahr gelingt überdies mindestens ein interessanter Ankauf, wie im vergangenen Jahr ein Brief Goethes an seinen Weimarer Apotheker. Die Unterstützung einer so bedeutenden Neuerwerbung wie dieser sei für den Förderverein daher eine der seltenen Gelegenheiten, ein herausragendes Objekt für die weltweit renommierten Sammlungen des Museum zu erwerben.

Eine „Schatztruhe“

Sorgsam hatten die Nachkommen Sertürners, das Geschwisterpaar Dr. Malte und Wernhera Peters, Freiburg und Hameln, die schwere Holztruhe mit den wichtigen Dokumenten ihres berühmten Vorfahren verwahrt. Vor einiger Zeit fassten sie den Entschluss, den gesamten Nachlass für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ihn dazu an eine geeignete Institution zu übergeben. Gut, dass sie das wertvolle Konvolut in ein Museum gaben, so bleibt es der Forschung und der Öffentlichkeit zugänglich, wie Dr. Elisabeth Huwer, Museumsdirektorin, ausführte. Das Deutsche Apotheken-Museum besitzt als Teil eines Netzwerkes von Institutionen, deren Ziel die Bewahrung nationalen Kulturerbes ist, die Kompetenzen für die die sachgerechte Betreuung, die wissenschaftliche Erschließung und die langfristige Erhaltung der Unterlagen.

Die Truhe wurde sehr wahrscheinlich bereits zu Sertürners Lebzeiten zur Aufbewahrung seiner wichtigsten Unterlagen genutzt. Sie enthielt rund 70 Belege seiner wissenschaftlichen Arbeit, darunter etwa 300-400 Manuskriptseiten (Entwürfe, Reinschriften, korrigierte Druckfahnen), vielfach bislang unveröffentlichtes Material, einige Zeichnungen (u.a. „Wolkenatom-Modelle“) und ein Skizzenbuch mit Versuchsaufbauten, darunter ein Schnitt durch die erste „Zündmaschine“ der Welt, das Döberein´sche Feuerzeug, das 1823 von Apotheker Johann Wolfgang Döbereiner (1780-1849) erfunden wurde.

Der Werdegang vom Apothekerlehrling bis zum Doktortitel lässt sich mit dem Lehrzeugnis von 1803, einem Zeugnis zur Lehr- und Gehilfenzeit vom Paderborner Hofapotheker Cramer von 1806 sowie mit der Doktorurkunde der Universität Jena aus dem Jahr 1817 nachzeichnen.

Rund 10 Mitgliedsurkunden der führenden wissenschaftlichen Gesellschaften Europas sind ebenfalls im Nachlass erhalten, darunter die Aufnahme als auswärtiges Mitglied in die „Societät für die gesammte Mineralogie zu Jena“ unter Vorsitz von Johann Wolfgang Goethe. Die Diplome galten teils bislang als verschollen, sind aber nun wohlbehalten übergeben worden.

Die Truhe enthielt auch einiges an Korrespondenz, darunter das Schreiben des Institut de France mit der endgültigen Zuerkennung der Erstentdeckung des Morphins an Sertürner aus dem Jahr 1831 und ein anerkennendes Schreiben Chr. W. Hufelands (1762-1836) vom Jahr 1826. Auch zwei empfindsam-schwärmerische Briefe Sertürners an seine Verlobte Eleonore von Rettberg vom November 1820 sind dabei. Mehrere Entwürfe zu Briefen an hochstehende Persönlichkeiten wie Fürst Metternich zeigen Sertürners Streben nach weiterer Anerkennung seiner Leistungen und Förderung seiner Forschung.

Das spätere Ehepaar Friedrich Wilhelm und Eleonore Sertürner zeigen zwei bislang unbekannte Porträtminiaturen im Originalrahmen, ausgeführt in Gouache-Technik im Jahr 1831. Als Maler signierte jeweils C. F. Overmeyer, der um 1826 in Hamburg ansässig war.

"Sertürner online"

Die Aufarbeitung des Nachlasses umfasst in erster Linie die Erschließung und Veröffentlichung aller Korrespondenzen, Urkunden, Manuskripte und Zeichnungen. Im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts im Museum, das die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Claudia Sachße derzeit vorbereitet, soll der Nachlass vollständig als digitales Archiv im Internet bereitgestellt und damit für die Forschung und interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Umfasssende Dokumentation und umfangreiche Restaurierungsarbeiten sind dazu notwendige Vorbereitungsarbeiten, so dass mit einer Online-Zugänglichkeit erst in einigen Jahren gerechnet werden kann.

Die Manuskripte werden zudem auf Chancen und Möglichkeiten für eine wissenschaftliche Auswertung geprüft. Hierfür ist zu klären, inwieweit sie bereits durch Publikationen bekannt sind und in welchem Umfang sich unpublizierte Schriften darunter befinden. Die ersten Sichtungen des Konvoluts zeigten bereits unveröffentlichte Objekte, die interessante neue Einblicke in die Forschungsarbeit Sertürners erwarten lassen.

15.5.2012

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