Mit dem Buchdruck entstanden äußerst wertvolle Bücher – und damit auch der Wunsch ihrer Besitzer, das Eigentum zu kennzeichnen. Dazu dienten kunstvoll gestaltete Bucheignerzeichen, die sogenannten Exlibris. Das älteste bisher bekannte Exlibris eines deutschen Apothekers stammt von einem Heidelberger Apotheker, wie nun nachgewiesen werden konnte.
In der Göttinger Universitätsbibliothek wird ein Exemplar eines Buchs des berühmten Botanikers und Mediziners Tabernaemontanus (Jakob Theodor, 1522 bis 1590) aufbewahrt. Es handelt sich um eine Neuauflage seiner Pestschrift: „Gewisse unnd erfahren Practick, wie man sich mit göttlicher hülff, vor der Pestilentz hüten...“. Das Werk ist bei Johann Mayer in Heidelberg 1564 erschienen. Schlägt man es auf, besticht sogleich ein prächtiges, die gesamte Seite einnehmendes Bucheignerzeichen des 16. Jahrhunderts.
Der anmutige Holzschnitt zeigt ein klassisches Motiv. Ein antikisierend gestaltetes Renaissanceportal rahmt einen von üppigen Ranken umwobenen Wappenschild ein, dessen Mitte ein typisches heraldisches Symbol, ein „halber Flug“ (ein Adlerflügel mit schwarzen Federn, redendes Symbol für den Namen „Fittich“) ziert. Es wird bekrönt von einer Helmzier mit zwei Flügeln – angeordnet in heraldisch ebenfalls gängiger Weise im „offenen Flug“, wobei links ein schwarzer und rechts ein weißer Fittich zu sehen ist. Unterhalb des Wappenschilds ist der Name „Ezechias Fettich W.“ zu lesen.
Das Exlibris ist in verschiedener Hinsicht ein außerordentlich wertvoller Neufund. Zunächst ist es möglich, es einer historisch greifbaren Person zuzuordnen. Der Genannte ist ein Apotheker, der verschiedentlich in Schriftquellen des 16. Jahrhunderts auftaucht: Ezechias Fettich (um 1520 bis 1581). Er war gebürtig in Worms – darauf spielt der Buchstabe „W“ nach dem Namen an – und wirkte in Heidelberg als angesehener Apotheker in seiner Stadtapotheke und als Bürgermeister bis zu seinem Tod 1581.
Ein Stich- oder Druckdatum ist auf dem Exlibris nicht vorhanden. Es ist aber möglich, den Zeitraum, in dem es in das Buch eingebracht wurde, recht genau, auf maximal 17 Jahre, einzugrenzen. Da es sich in einem Buch befindet, das 1564 in Heidelberg erschien, dessen Besitzer aber 1581 verstarb, kann es nur im Zeitraum von 1564 bis 1581 in das Druckwerk gekommen sein. Gut denkbar ist, dass Autor und Besitzer sich kannten, denn Tabernaemontanus hatte sich 1562 in Heidelberg an der Universität immatrikuliert und wirkte später als Leibarzt am kurfürstlichen Hof. Er verbrachte viele Jahre in der Stadt und verstarb dort 1590. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass das Bucheignerzeichen in der selben Ausführung bereits von seinem Vater, Theobald Fettich, der Stadtarzt in Worms war, verwendet wurde - mit dem Unterschied, dass unterhalb des Wappenschildes eben dessen Namen aufgeführt wird (1)
Die Möglichkeit zur Zuweisung eines Exlibris des 16. Jahrhunderts zu einem historisch fassbaren Apotheker ist unmittelbar den verdienstvollen Vorarbeiten von Otto von Walde (1879 bis 1963) zu verdanken. Walde war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bibliothekar an der Königlichen Universitätsbibliothek in Uppsala. In seinen Forschungsarbeiten in ausländischen, sprich deutschen Bibliotheken ging er den verschlungenen Wegen nach, auf denen ganze Bibliotheken infolge der im Dreißigjährigen Krieg aufkommenden Sitte, Bücher als Kriegsbeute zu behandeln, verschleppt wurden (2). In diesem Zusammenhang berichtet er von einem Exlibris „eines Ezechias Fettich“, konnte diese Person aber nicht näher einordnen (3). Darauf wurde die Verfasserin aufmerksam, als sie sich mit der Geschichte der Heidelberger Stadtapotheke beschäftigte. Nun ist es also gelungen, die Person zweifelsfrei zu identifizieren, womit rund 90 Jahre nach von Waldes Publikation die Zuordnung zur Apothekerfamilie Fettich und gleichzeitig die Zuweisung eines weiteren Apotheker-Exlibris in das 16. Jahrhundert gelungen ist.
Die Forschungen zu Apotheker-Exlibris haben in der Pharmaziegeschichte seit den 1920er-Jahren Tradition (4). Die frühesten Exlibris überhaupt – also nicht beschränkt auf den Apothekerberuf – entstanden mit dem Buchdruck am Ende des 15. Jahrhunderts in Deutschland, wo sie im 16. Jahrhundert eine Glanzzeit entwickelten. Bislang konnten jedoch nur sehr wenige Buchzeichen des 16. Jahrhunderts überhaupt Apothekern zugewiesen werden. Das älteste bekannte Apotheker-Exlibris des deutschen Sprachraums stammt vom Züricher Apotheker Hans Jakob Klauser (gest. 1560) aus dem Jahr 1553 (5). Das bislang älteste Exlibris eines deutschen Apothekers stammt aus dem Jahr 1588 und wurde vom Berliner Apotheker Michael Aschenbrenner (1549 bis 1605) zur Kennzeichnung seiner Bücher verwendet (6).
Hier erschließt sich eine weitere Besonderheit des Funds. Das nun dem Heidelberger Apotheker Ezechias Fettich zugewiesene Exlibris muss spätestens 1581 in das Buch gekommen sein. Daher stellt es das bislang älteste bekannte Exlibris eines deutschen Apothekers dar.
Es handelt sich (leider) nicht um ein Exponat aus dem Deutschen Apotheken-Museum. Die Entdeckung jedoch ist eng mit dem Deutschen Apotheken-Museum verbunden. Museumsdirektorin Dr. Elisabeth Huwer gelang die Zuweisung im Zusammenhang mit dem inzwischen abgeschlossenen Forschungsprojekt "Apotheke um 1600".
Literatur:
Vgl. dazu ausführlich: Huwer, E., Apotheke um 1600, Büchenbach 2011, S. 23ff.
(1) Waehmer, K. Bücherzeichen deutscher Ärzte, Leipzig 1919, S. 32.
(2) von Walde, O., Bücher- und Bibliotheksgeschichtliche Forschungen in ausländischen Bibliotheken. In: Nordisk Tidskrift för Bok- och Biblioteksväsen 7, Stockholm 1930, S. 76-148.
(3) ebd., S. 127.
(4) Vgl. z. B. Zimmermann, W., Exlibris deutscher Apotheker. Dresden/Stuttgart 1925; Hein, W.-H., Künstlerische Apotheker-Exlibris. Pharm. Ztg. 101 (1956) 1423-1425.
(5) Hein, W.-H., Borchardt, A., Apotheker-Exlibris aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eschborn 1997, S. 6 u. 8 und Bild 3.
(6) ebd., S. 8 und Bild 4.
Text: Elisabeth Huwer, Deutsches Apotheken-Museum
Abbildung:
Exlibris des Heidelberger Apothekers Ezechias Fettich in einer 1564 in Heidelberg erschienenen Pestschrift von Tabernaemontanus. Universitätsbibliothek Göttingen