Der Besitzer der Pelikan-Apotheke Cammin (Kamien Pomorski, Polen), Apotheker Johann August Wilhelm Kunitz (1784-1859), baute im Laufe seines Lebens eine sorgfältig komponierte Sammlung von Kunst und Kunsthandwerk auf. Im Besitz seiner Nachfahren überdauerten einige Kostbarkeiten bis ins 21. Jahrhundert. Jetzt kamen sie als Schenkung ins Museum. Vermittelt von Jürgen M. Gollmick, Gunzenhausen, der in dieser Angelegenheit als Sprecher der weltweit verteilten Familie agierte, wurden zwischen 2011 und 2016 von der weltweit verzweigten Familei drei Gemälde, ein silbernes Collier, ein silberner Pulverlöffel und eine Ziertasse aus der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur für die Sammlungen des Deutschen Apotheken Museums übergeben.
Portraits von Kunitz und seiner Gattin
In Raum 4, in dem mit der Offizin aus der Kron-Apotheke in Ulm ein geschlossenes Biedermeier-Ensemble gezeigt wird, fanden die meisten davon den genau passenden Rahmen. Hier überliefern nun zwei künstlerisch herausragende Portraits einen Eindruck vom Aussehen, aber auch vom bürgerlichen Selbstbewusstsein des Camminer Apothekers Kunitz und seiner Gattin Marie Friederike Charlotte (1798 bis 1885). Im Jahr 1831 fertigte der bekannte Portraitmaler Paul von Mila (um 1798 bis 1848) die qualitätvollen Darstellungen der beiden an, und bei genauer Betrachtung zeigen sie außerdem Ansichten der Pommerschen Bucht und der am Camminer Bodden breit lagernden Stadtansicht von Cammin.
Die Apothekersgattin ist in der Blüte ihres Lebens mit rosigen Wangen und sanftem Lächeln im Bild festgehalten. Elegant zeigt sie sich in einem Kleid aus kostbarer dunkelvioletter Seide, aufwendig bestickt und mit modisch-voluminösen Keulenärmeln. Es gibt die Schultern frei – aber natürlich nur soweit, wie es damals für eine verheiratete Frau schicklich war. Die aufwendig gelockte Haartracht wird durch eine Haube mit kostbaren Bändern und zarter Spitze bekrönt. Anmutig trägt sie ein filigranes goldenes Collier mit Blumenbouquet, angefertigt von Goldschmidt Viedt und ein Geschenk ihres Gatten, wie in der Familie bis heute überliefert ist.
Das Portrait von Apotheker Kunitz zeigt ihn ebenfalls modisch auf Höhe der Zeit: Ein eleganter Herr in den besten Jahren trägt zeittypisch locker frisiertes Haar und breite Koteletten. Würdevoll und selbstbewusst blickt er mit einem leichten Lächeln direkt in die Augen des Betrachters. Auch er ist bestens gekleidet in einen pelzbesetzten Gehrock, trägt den Kragen modisch aufgestellt und mit einem locker geschlungenen Seidentuch kombiniert.
Text: Elisabeth Huwer, Deutsches Apotheken-Museum, Foto Claudia Sachße, Deutsches Apotheken-Museum
Gemälde des Gartens der Pelikan-Apotheke Cammin
Apothekergärten gehörten früher zu fast jeder Apotheke, aber nur sehr selten ließ ein Apotheker des 19. Jh. seinen Garten im Bild festhalten, so wie der stolze Gartenbesitzer Apotheker Kunitz. In der Familie ist bis heute mündlich überliefert, dass der Apotheker und seine große Familie viel Zeit in seinem Garten und dem daneben errichteten Sommerhaus verbrachte. Der Maler Herman Pomerening fertigte im Auftrag von Kunitz in der Zeit um 1835 ein Ölgemälde der aufwendig terrassierten Anlage an, wobei er als Vorlage auf einen früher entstandenen Stich von Johann Friedrich Rossmäsler (1775-1858) zurückgriff.
Die Liebe zu seinem Garten verwundert bei Kunitz nicht: Der Pharmazeut beschäftigte sich Zeit Lebens intensiv mit Naturstudien und der Pflanzenzucht. Er kultivierte in seinem bald weithin berühmten Garten am Hang nahe der Bergkirche mit großem Erfolg zahlreiche heimische und exotische Pflanzen. Besonders schützenswerte Exemplare platzierte er - nochmals umzäunt - in einem zentral in der Mitte des Gartens gelegenen Bereich, der auf der linken Seite mit einem speziellen Schutzbau, einem sogenannten Sonnenfang, versehen war und dadurch eine windgeschützte und lange warme Umgebung bot. Die Anlage wurde zu einer Attraktion für Besucher von Cammin, die vor Ort sogar Zeichnungen des attraktiven Apothekerrefugiums erstehen konnten. Mit der Anpflanzung von Maulbeerbäumen als Nahrung für Seidenraupen plante Kunitz zudem, Cammin zu einem Zentrum der Seidenindustrie zu machen. Der Erfolg blieb jedoch aus.
Die Farbfassung des Gemäldes war bei Ankunft im Museum stark nachgedunkelt und zeigte einige altersbedingte Schäden. Nach der Restaurierung der Farbfassungen (dankenswerterweise ermöglicht durch die Unterstützung des Fördervereins Deutsches Apotheken-Museum) im Frühjahr 2013 erstrahlt es nun wieder in voller Farbenpracht und offenbarte auch eine Überraschung: In manch einem Bereich des Bildes sind nun Personen zu sehen, die vor der Restaurierung in den nachgedunkelten Zonen fast verschwunden waren. Nun zeigt sich auch hier der Familiensinn - alle Familienmitglieder sind im Bild festgehalten, das Ehepaar und alle 15 Kinder, denn das Apothekenhaus in Cammin beherbergte mit neun Töchtern und sechs Söhnen eine recht große Familie.
Tasse mit Familienportrait aus der KPM Berlin
Nicht nur der Familiensinn, auch seine Vorlieben waren zeittypisch für einen gebildeten und gut situierten Bürgersmann des Biedermeier: Neben Naturstudien und der Pflanzenzucht zeigte der wohlhabende Apotheker großes Interesse für Kunst und Kunsthandwerk: Vielfach ließ er für die Familie und für das Apothekenhaus in Cammin neben Gemälden hochwertige Möbel, Schmuck und Porzellan individuell anfertigen, darunter auch eine Ziertasse in der KPM Berlin, deren Außenseite eine biedermeierliche Familienidylle mit Ehepaar Kunitz und den Kindern in der Hauptrolle zeigt.
Die Tasse ist innen sowie an Henkel und Fußzone vergoldet. Die dem Henkel gegenüberliegende Fläche zeigt in einer goldgerahmten Szene das Ehepaar mit vier ihrer (später insgesamt 15) Kinder in einer Gartenlaube sitzend. Darüber verläuft ein blaues Band mit goldener Inschrift: »Am 6ten August 1822 / Marie, Friedericke, Charlotte / zum Andenken«.
Auch die Untertasse trägt umlaufend ein blaues, goldgerahmtes Band und nennt die Namen der Kinder: „Auguste / Rosalie / Emma / Gustav“. Herausgehoben in der Mitte der Untertasse findet sich – als Engel mit Flügeln im goldgerahmten Blumenfeld dargestellt – ein Bildnis des früh verstorbenen Sohnes Wilhelm.
Kunitz ließ diese und über die Jahre noch weitere Tassen als Geschenke für seine Gattin anfertigen, vermutlich jeweils anlässlich der Geburt eines Kindes. Im Besitz der weit verzweigten Familie der Kunitz-Erben sollen sich noch weitere Tassen mit bis zu 15 Kindern und deren Namen befunden haben. Heute ist dies die einzige noch bekannte Tasse aus dem Besitz von Apotheker Kunitz.
Silbercollier, Pulverlöffel und Siegel
Eine auf dem Portrait der Apothekersgattin meisterlich erfasste feingliedrige goldene Halskette bildete das Vorbild für neun weitere Colliers, die für jede der neun Töchter des Apothekerehepaars – jedoch in Silber – von einem Goldschmied namens Viedt (mehr über ihn ist nicht bekannt) angefertigt wurden. Als Besonderheit hatte sich eines der silbernen Colliers bis heute in der Familie erhalten. Es wird im Museum - korrespondierend zum Gemälde - in einer direkt darunter angebrachten Wandvitrine ausgestellt. Dort findet sich auch ein kleiner silberner Löffel zum Abfassen von Pulvern, mit dem Namenszug "Kunitz" personalisiert, der aus dem Apothekenbetrieb in der Pelikan-Apotheke stammt und ebenfalls die Meistermarke von Viedt zeigt.
Ein Überraschungsgeschenk übergab Jürgen M. Gollmick bei der Einweihung der Neupräsentation der Schenkung: In einen kleinen, in Gold abgesetzten Rahmen gefasst, haben sich die Abdrücke der beiden Petschaften des Ehepaars Kunitz erhalten (1. H. 19. Jh.). Das Siegel des Apothekers zeigt eine zentral platzierte Palme, an der in spätromantischer Manier ein Schild mit seinen Initialen lehnt: JAWK. Rechts davon steht ein Moschushirsch, Lieferant des kostbaren Duftstoffs, ein damals in der Apotheke teuer gehandelter Rohstoff. Das Siegel seiner Gattin ist detailreicher gestaltet und entstand wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt als das seine. Auch hier findet sich am linken Rand eine Säule, darauf ruhend eine Taube mit einem Ölzweig im Schnabel, ein Symbol des Friedens. Die Szene wird von einer strahlenden Sonne beschienen, ein Christus-Symbol. Zentral auch hier die Initialen der Siegeleignerin, "M.F.C.K.", als memento mori in einen mächtigen steinernen Quader gehauen, der von einer aufwendig gestalteten Urne bekrönt wird. Vom unteren Teil des rechten Siegelrands aus erhebt sich ein ein kräftiger Lebensbaum, daneben ruht auf einer Pflanze ein weiterer Vogel, vielleicht ein Phoenix, Symbol für Ewigkeit. Dicht beieinander drückten die beiden ihre Siegel in eine helle Wachsplatte und schufen damit ein seltenes Zeugnis dieser Zeit wie auch einen anrührenden Verweis auf ihre innige Verbundenheit.
Text: Elisabeth Huwer, Deutsches Apotheken-Museum